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Der Aufbau einer flächendeckenden kulturellen und pädagogischen Infrastruktur der DDR stellte eine beeindruckende Leistung dar. Problematisch war jedoch deren ideologische Unterfütterung. Zu dieser gehörte die Ausrichtung pädagogischer Bemühungen auf das Ziel, die Heranwachsenden zu „allseitig und harmonisch entwickelten sozialistischen Persönlichkeiten“ zu formen und damit eine Erziehung der jungen Menschen im Sinne der gesellschaftspolitischen Ziele und Normen. Junge Menschen durften sich also nicht entlang ihrer eigenen Wünsche und Möglichkeiten entwickeln, sondern sollten entlang staatlich definierter, gesellschaftlicher Erfordernisse erzogen werden. Damit beanspruchten die Verantwortlichen stets zu wissen, was für Kinder und Jugendliche am besten ist, und praktizierten eine autoritär-fürsorgliche Jugendpolitik, die völlig überschätzte, wie sehr man junge Menschen durch Erziehung formen kann. 

Diese ideologische Überformung durch den Staat galt auch für die Pionierhäuser (Haus der Jungen Pioniere). Sie waren Einrichtungen in der DDR, die den Kindern als Freizeit- und Bildungszentren dienten. Sie gehörten zur sozialistischen Pionierorganisation „Ernst Thälmann“ und waren in den meisten Städten der DDR zu finden. In den Pionierhäusern konnten Kinder kostenlos an verschiedenen Kursen und Arbeitsgemeinschaften teilnehmen. Das Angebot umfasste sowohl künstlerische Bereiche wie Tanzen, Werken oder Theater sowie naturwissenschaftliche Arbeitsgemeinschaften wie „Junge Kosmonauten“ oder „Junge Techniker“. 

In den Einrichtungen arbeiteten Fachkräfte mit verschiedenen pädagogischen Herangehensweisen, was eine gewisse Vielfalt in der pädagogischen Haltung ermöglichte. So boten viele der Pionierhäuser trotz ihrer klaren ideologischen Ausrichtung Freiräume für individuelle Entwicklung, Kreativität und Selbstbestimmung. Für viele Schulkinder in der DDR waren die Pionierhäuser daher ein bedeutender Bestandteil ihrer Freizeitgestaltung, der Raum für kreative und intellektuelle Entfaltung bot.

Mit der Wende 1989 gerieten die Strukturen der DDR-Jugendarbeit in eine existenzielle Krise. Die Freie Deutsche Jugend (FDJ) verlor ihre zentrale Rolle, Pionierhäuser und Jugendklubs standen plötzlich ohne Finanzierung und organisatorischen Rückhalt da. Viele Einrichtungen mussten schließen, während andere mit improvisierten Mitteln versuchten, die Arbeit aufrechtzuerhalten. Allein bis zum Jahr 1991 schloss die Hälfte aller Jugendklubs und die Jugendarbeiterinnen und Jugendarbeiter, die zuvor eng in die staatlichen Strukturen eingebunden waren, fanden sich in einem rechtlichen und finanziellen Vakuum wieder. Dadurch fielen immer mehr Orte weg, die nicht nur eine grundlegende kulturelle Versorgung sicherten, sondern auch bedeutende soziale und gemeinschaftsfördernde Aufgaben erfüllten.

Doch die Wende brachte nicht nur Unsicherheiten, sondern auch Chancen: Erstmals konnten unabhängige Vereine gegründet und alternative Projekte gestartet werden. Freie Träger etablierten sich, und lokale Initiativen begannen Räume zu okkupieren und für Jugendliche zu öffnen. Dabei fehlte es oft an Erfahrung, langfristigen Perspektiven und stabiler Förderung, doch die neu gewonnene Freiheit weckte einen ungeahnten Tatendrang. Jugendliche brachten sich aktiv ein, gründeten eigene Bands, organisierten Veranstaltungen oder eröffneten selbstverwaltete Jugendzentren. Das neu aufgelegte Sonderprogramm der Bundesregierung zum Aufbau freier Träger (AFT) ermöglichte u. a. in den 1990er Jahren diese grundlegende Transformation. Ab 03.10.1990 galt zudem ab Tag 1 der Wiedervereinigung das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) in den fünf sogenannten neuen Bundesländern.

Der Fall der Mauer 1989 bedeutete für die Jugendarbeit in Ostdeutschland einen abrupten Umbruch. Die zentral gesteuerten Strukturen der DDR – von Pionierhäusern bis zu Jugendclubs – wurden in ihrer bisherigen Form aufgelöst, und mit ihnen verschwanden die vertrauten Angebote. Fachkräfte, die zuvor in staatlichen Programmen tätig waren, verloren ihre Stellen oder mussten sich beruflich neu orientieren. Zurück blieb eine Lücke, die in den frühen 1990er Jahren vor allem durch ehrenamtliches Engagement, autodidaktische Initiativen und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gefüllt wurde.

2. Die Wendejahre – Umbruch und Unsicherheit
3. Neustart ohne Anleitung: Jugendarbeit zwischen Engagement und neuen beruflichen Anforderungen

Trotz des radikalen Umbruchs kann von einer „Stunde Null“ kaum die Rede sein: Weder personell noch institutionell wurde die Jugendarbeit komplett neu aufgebaut. Die Finanzmittel der FDJ flossen größtenteils in die neuen Strukturen der Jugendarbeit, und die Integration der Pionierhäuser in die Jugendhilfe ermöglichte eine Verbindung von Tradition und Neuem. Vielmehr standen die Fachkräfte und ehrenamtlichen Helfer*innen vor der Herausforderung, sich in einem völlig veränderten gesellschaftlichen Umfeld neu zu orientieren. Die wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen der Nachwendezeit – geprägt von hoher Arbeitslosigkeit, Deklassierung und Abwanderung – beeinflussten das Leben der Jugendlichen und der Fachkräfte stark. Gleichzeitig empfanden viele Fachkräfte diese Zeit direkt nach der Wende als Aufbruchsstimmung, die viele Freiräume bot und ein großes Engagement entfachte.

Diese Kontinuitäten aus der DDR wurden jedoch in den Nachwendejahren vielfach nicht beachtet. Zwar boten westdeutsche Konzepte, insbesondere das Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) von 1990, einen strukturellen Rahmen und Verbesserungsmöglichkeiten, doch waren sie nicht immer auf die ostdeutsche Realität übertragbar. Die damit nötig werdenden Anpassungen waren vielseitig: die Jugendeinrichtungen waren nicht mehr länger an Schulen, sondern nun an das Jugendamt angegliedert, was auch eine Neubestimmung des Verhältnisses von Schule und Kinder- und Jugendarbeit nötig machte. Pionierhäuser wurden zu Freizeitzentren, und die Offene Kinder- und Jugendarbeit (OKJA) wurde zur Pflichtaufgabe nach SGB VIII. 

Zudem standen Fachkräfte unter Druck, ideologische Altlasten abzulegen, da sie teils dem Vorwurf ausgesetzt waren, an der ideologischen Verformung der DDR beteiligt gewesen zu sein. Der entscheidendste Aspekt des Wandels war wohl die Neubestimmung des Selbst- und Berufsverständnisses der Pädagog*innen. Hierzu gehörte eine Neubestimmung der Ziele der eigenen Arbeit, eine Professionalisierung der Ausbildung und ein neues Selbstverständnis im Umgang mit den Jugendlichen, das von Offenheit und Partnerschaftlichkeit geprägt war.

Ab Mitte der 1990er Jahre etablierte sich schließlich ein System mit ausgebildeten Fachkräften, die an Hochschulen und in sozialpädagogischen Ausbildungsprogrammen auf die Arbeit mit Jugendlichen vorbereitet wurden. 

Ziel war es, die Fachkräfte zu einer Umstellung dieser Arbeit von einem zentralisierten und zensierten zu einem pluralistischen und föderativen System zu befähigen. Bis die ersten Sozialarbeiter*innen nach westdeutschem Standard ausgebildet waren, dauerte es mehrere Jahre. In dieser Übergangszeit wurden Nachqualifikationen und Quereinstiege ermöglicht, was neben neuer beruflicher Perspektiven auch eine Doppelbelastung von regulärer Arbeit und berufsbegleitenden Qualifikationen darstellte. Ehrenamtliche und Quereinsteiger fanden neue berufliche Betätigungen, während andere sich von den steigenden Anforderungen überfordert fühlten. So entstand schrittweise ein System, das den Jugendlichen in Ostdeutschland neue Chancen bot – getragen von einer Mischung aus alten Erfahrungen und neuen Impulsen.

Nicht selten führten die Auswirkungen der gesellschaftlichen Transformation zu ungewöhnlichen Brüchen in den beruflichen Biografien, auch bei Jugendarbeiter*innen. Ehemalige Facharbeiter*innen wie Elektroniker*innen, Schlosser*innen oder Betriebsfachleute, die nach der Abwicklung volkseigener Betriebe ihre Arbeit verloren hatten, fanden sich plötzlich in Jugendclubs oder sozialen Projekten wieder. Sie gründeten selbstverwaltete Jugendzentren, organisierten Konzerte und boten Freizeitaktivitäten an –zunächst oft ohne pädagogische Ausbildung, dafür mit großem Engagement und kreativen Ideen. Diese Phase war von Experimentierfreude geprägt, brachte jedoch im Hinblick auf die praktische Ausgestaltung von Jugendarbeit auch Unsicherheiten mit sich. Die benannten Umbrüche prägten die Anfangsjahre bis hin zur heutigen Professionalisierung und dem heutigen Selbstverständnis des Arbeitsfeldes.

Aufbrüche – Die Wende und die sächsische Jugendarbeit

1. Jugend in der DDR: Zwischen Fürsorge, Ideologie und Freiraum

Die Jugendhilfe war ein zentraler Bestandteil des gesellschaftlichen Systems der DDR und setzte sich aus einem engmaschigen Netz aus sehr unterschiedlichen Einrichtungen und Maßnahmen zusammen. Unter den übergeordneten Bereich der Jugendhilfe fielen vor allem die Tätigkeitsfelder Erziehungshilfe, Vormundschaftswesen, Rechtsschutz für Minderjährige und die Heimerziehung. Die verschiedenen Bereiche der Jugendhilfe unterschieden sich in ihren Ausprägungen untereinander stark und sollten keinesfalls gleichgesetzt werden. Während die Heimerziehung durch ihre repressiven Umerziehungsmaßnahmen ein dunkles Kapitel der Jugendpolitik der DDR darstellte, boten andere Einrichtungen bei entsprechendem Personal punktuell Schlupflöcher und damit auch Entfaltungsmöglichkeiten und Freiräume. 

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